Und Probleme haben wir hier in Karlsruhe zur Genüge!
Sieben der dringendsten möchte ich hier aufführen:
1. Die drastisch steigende Straßenkriminalität und die damit verbundene zunehmende Verunsicherung in der Bevölkerung.
2. Ein Fass ohne Boden namens U-Strab, das die Bezeichnung „Kombilösung“ bisher noch nicht verdient hat.
3. Die unausgereifte Finanzpolitik, welche die Pro-Kopf-Verschuldung verdreifacht und die Darlehensverbindlichkeiten der städtischen Gesellschaften auf ein Rekordniveau getrieben hat.
4. Die sinkende Attraktivität unserer Innenstadt, verbunden mit dem Rückgang des inhabergeführten Einzelhandels und der Gastronomie.
5. Die zögerliche und nicht dem Bedarf angepasste Wohnungsbaupolitik zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum.
6. Investitionen, die sich die Stadt nicht leisten kann. Beispiele: der Umbau des Staatstheaters oder der Neubau des Wildparkstadions.
7. Qualitätsprobleme und Serviceeinschränkungen mit einhergehendem Imageverlust des ÖPNV mit Rückwirkungen auf die Verkehrsbetriebe.
Regierungspräsidium kassiert Haushaltsplan
Zur Erinnerung: der zurückliegende Haushaltsentwurf enthielt nicht die Handschrift der Freien Wähler. Daher habe ich diesen mit Hinweis auf die
- „Gleichgültigkeit gegenüber dem verantwortlichen Umgang mit volkswirtschaftlichen Grundsätzen“ sowie
- „zunehmenden Schulden und ein weiteres Aufblähen der Darlehensverbindlichkeiten der städtischen Gesellschaften„ und
- „ Zurückweisung unserer sozialpolitisch und sicherheitspolitisch motivierten Haushaltsanträge“
abgelehnt.
Anders als Sie, Herr Oberbürgermeister, und anders als die Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD, GRÜNE, KULT und GfK, die dem zurückliegenden Haushalt zustimmten, sollten wir Freien Wähler Recht behalten! Die finanzielle Schieflage der Stadt war schon damals absehbar gewesen.
Das Regierungspräsidium stellte denn auch nur wenige Wochen nach der Haushaltsaufstellung fest: „Die Liquidität der Stadt nimmt im Finanzplanungszeitraum ebenfalls stark ab und wäre nach der vorliegenden Planung spätestens 2019 erschöpft. Die anhaltend hohe Investitionstätigkeit wäre in Folge dessen mit einem starken Anstieg der Verschuldung verbunden und würde den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt weiter einengen. Die Stadt Karlsruhe bleibt deshalb aufgefordert, die prognostizierte Entwicklung durch nachhaltig wirksame Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen abzuwenden.“
Trotz dieser Ermahnung wollen wir den Neubau des „Wildpark-Stadion“ ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzieren? Ein einmaliger Vorgang in ganz Deutschland!
Sehr geehrter Fraktionsvorsitzender der SPD, Herr Marvi, erinnern Sie sich angesichts dieser Kritik des Regierungspräsidiums noch an ihre Worte bei den zurückliegenden Haushaltsberatungen: „Die Richtung stimmt, die Grundlinie passt. Wir setzen die richtigen Schwerpunkte. Dieser Haushalt ist gut für unsere Stadt und steht für mutige Investitionen, Aufbruch und Vernunft.“ Oder Sie, Herr Dr. Fischer von der KULT-Fraktion: Sie waren „stolz auf den Haushaltsentwurf“ und erklärten: „Die KULT-Fraktion übernimmt Verantwortung für diese Stadt und stimmt diesem Haushalt zu.“ – einem defizitären Haushalt!
Liste der Grausamkeiten
Wo bleibt das Eingeständnis für diese Fehleinschätzung? Mit einer beängstigenden Selbstverständlichkeit vollführen Sie stattdessen eine 180-Grad-Wendung und präsentieren den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt nun einen Maßnahmenkatalog zur Haushaltsstabilisierung, der von uns Freien Wähler nur noch als „Liste der Grausamkeiten“ bezeichnet werden kann.
Denn statt nach ausreichenden Einsparungspotentialen innerhalb der städtischen Gesellschaften und der Verwaltung zu suchen und einen kritischen Blick auf Investitionen und ihre Folgekosten zu werfen, wird mal wieder an der Steuer- und Gebührenschraube gedreht. Zwei Drittel der vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen sind Steuer- und Gebührenanhebungen – eine Hilflosigkeit, die der Attraktivität unserer Stadt schaden wird. Die Erhöhung von Gebühren für Baugenehmigungen und der Grundsteuer konterkarieren die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Wohnen wird in Zukunft für Mieter teurer! Nach wie vor bleiben neu erschließbare Wohnflächen in den Schubladen der Verwaltung viel zu lange liegen. Zudem halten wir Freien Wähler die Erhöhung von Parkgebühren während der „Stadtdurchwühlung“ für falsch.
Ganz besonders kritisch sehen wir Freien Wähler Leistungskürzungen bei den ärmsten und bedürftigsten Bevölkerungsschichten unserer Stadt. Karlsruhe war stets ein gutes Beispiel einer großen Solidargemeinschaft. Daran müssen wir festhalten, sonst droht uns die Gefahr, dass wir Teile der Gesellschaft an „Rattenfänger“, also an Extreme am linken und rechten Rand des politischen Spektrums verlieren! Der Karlsruher Pass – im letzten Doppelhaushalt noch vehement verteidigt – soll nun eingeschränkt werden. Nur ein Beispiel für ein ebenso falsches wie fatales Signal!
Fehleinschätzungen erkennen
„Wir schaffen das!“ Noch nie haben drei Worte die Gesellschaft derartig gespalten wie die Einschätzung unserer Bundeskanzlerin Anfang September des vergangenen Jahres. Wir Freien Wähler hatten in unserer zurückliegenden Haushaltsrede als einzige politische Gruppierung im Karlsruher Gemeinderat bereits erkannt, dass die „Flüchtlingskrise“ zu einer „Herkulesaufgabe“ für unsere Gesellschaft heranwachsen wird. Als ich damals hier in diesem Haus von sozialem Zündstoff und unabsehbaren Kosten für die Kommunen sprach, war die Unruhe und die Missbilligung in ihren Reihen groß, werte Kolleginnen und Kollegen.
Die Realität hat uns eingeholt.
Deutschland steht in der „Flüchtlingsfrage“ isoliert da und dieMehrheit der deutschen Bevölkerung teilt nicht mehr die Ansicht unserer Bundeskanzlerin! Viele Ehrenamtliche haben resigniert und Sorge macht sich in der Bevölkerung breit.
Damit wir richtig verstanden werden: Der Vorstand und die Mitglieder der Freien Wähler Karlsruhe sind engagierte freiwillige Helfer, zum Beispiel beim Unterricht für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge oder in der Betreuung anerkannter Asylsuchender. Wir möchten aber den Karlsruher Bürgern unsere Erkenntnisse aus diesen karitativen Tätigkeiten nicht vorenthalten.
- Es ist RICHTIG, politisch Verfolgte aufzunehmen. DENN: Vorpolitischer Gewalt Geflüchtete genießen bei uns nach dem Grundgesetz Asylrecht.
- Es ist FALSCH, Monate, Jahre für Asylprüfungsverfahren zubrauchen. DENN: Die Aufenthaltsdauer der Geflüchteten ist ein Konfliktpotenzial, dessen sich die rechten Randparteien gerne bedienen, um zu spalten.
- Es ist FALSCH, die Geflüchteten mit zahllosen Segnungen unseres komfortablen Sozialstaats zu überhäufen. DENN: dem Terror entkommene Menschen sind ohne höheren Anspruch dankbar für ihre Lebensrettung und für schlichte, ihre Existenz sichernde Hilfen.
- Es ist FALSCH, weitere Milliarden, wie im Bund vorgesehen,wegen weiterhin unzumutbar langer Asylrechtsprüfungeneinzuplanen. DENN: Diese üppigen Haushaltsansätze schüren den Neid und Hass in unserer Gesellschaft und werden zu Spaltungsausgaben.
- Es ist RICHTIG, dass wir in unserer Stadt mit einem großartigen “Integrationsplan” dieser Spaltung entgegenwirken wollen. DENN: Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur durch das klare Erkennen und das Aussprechen von Tatsachen können wir Fehlentwicklungen bremsen.
Auch mein im vergangenen Jahr „gut gemeinter Rat an alle „Hardcore-Fans“ der Kombilösung: Angesichts – immer noch fehlender – Förderzusagen von Bund und Land für die ständigen Kostenüberschreitungen sich ernsthaft zu überlegen, ob Sie nicht einen Spendenfond einrichten, damit dieses Projekt auch zu Ende geführt werden kann, wenn uns die öffentlichen Gelder ausgehen sollten“, stieß auf „taube Ohren“.
Eine Entscheidung über die Förderfähigkeit der Kombilösung ist bis dato noch nicht gefallen! Im Gegenteil, am 10. April 2015 hat der Bundesrechnungshof Einwände erhoben, aus denen zu entnehmen ist: „Die bisherigen, vorläufigen Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes sowie die mit dem Vorhaben zusammenhängenden, jetzt anstehenden Entscheidungen veranlassen den Bundesrechnungshof zu der Einschätzung, dass die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens Stadtbahn Karlsruhe / Innenstadterschließung nicht mehr gegeben sein dürfte. Ohne einen aktualisierten positiven Nachweis der Wirtschaftlichkeit wären dem Vorhaben die Fördervoraussetzungen entzogen.“
Sicherheit muss oberste Priorität haben!
Eine der Grundaufgaben des Staates ist es, die Sicherheit seiner Bürger und den Schutz ihres Eigentums zu gewährleisten. Daher waren wir Freien Wähler um so mehr überrascht, als unsere Forderung in diesem Hause ebenfalls ungehört blieb , mit der wir die „Sicherheit der Bürger in Karlsruhe stärken“ wollten, indem wir forderten „das Land in die Pflicht zu nehmen. Und wenn das Land hier versagt, als Stadt den Mut zu haben, den Kommunalen Ordnungsdienst qualitativ und quantitativ weiter zu stärken, bevor Bürger die Initiative ergreifen und sich selbst zur Wehr setzen!“
Die aktuellen Sicherheitsberichte der Stadt belegen ebenso wie die Kriminalitätsstatistik, dass es in Karlsruhe ein Sicherheitsproblem gibt und dass das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger von Jahr zu Jahr im gleichen Ausmaß abnimmt wie die Kriminalität zunimmt.
Wir Freien Wähler konnten diesem Umstand nicht tatenlos zusehen und wurden aktiv. Gemeinsam mit dem parteilosen Stadtratskollegen Stefan Schmitt initiierten wir die „Allianz für mehr Sicherheit in Karlsruhe“, die in der Zwischenzeit weit über 60 Unterstützer aus allen Bereichen der Gesellschaft zählt, die sich für eine umfassende Stärkung der Sicherheit in Karlsruhe einsetzen. Dazu zählt die Umsetzung eines 7-Punkte-Planes, der zum Beispiel die Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes fordert, die Einführung eines sogenannten „Frauentaxis“, das in Anbetracht der Reduzierung des Nightliner-Angebotes durch den KVV sinnvoll und berechtigt ist.
Für uns Freie Wähler steht eines fest: Trotz angespannter Haushaltslage muss die Sicherheit oberste Priorität haben, hier darf nicht gespart werden, hier muss mehr investiert werden!
Stadtqualität steigern
Wie wichtig auch das von der „Allianz für mehr Sicherheit“ geforderte „Sicherheitskonzept für die Innenstadt“ ist, zeigt die gegenwärtige Situation. Einzelhandel und Gastronomie sind verzweifelt, da sie immer tiefer in die roten Zahlen rutschen und daher existenziell betroffen sind. Die Gründe dafür sind vielschichtig und hängen unter anderen mit der „Baustellenstadt“, aber auch mit der deutlichen Abnahme des Sicherheitsgefühls zusammen. Wir Freien Wähler sind sicher, dass diese Abwärtsspirale bei der Stadtentwicklung für Handel und Gastronomie durch ein entschiedenes politisches Eingreifen rasch gebremst, gar gestoppt werden kann und muss.
Entscheider der Innenstadtinitiativen „Für Karlsruhe“ und der „City-Initiative“ fordern die erhebliche Reduzierung des Umfangs der umzäunten Baumaterialfelder, die attraktive Gestaltung der Bauzäune, die Sauberkeit auf Plätzen und Straßen als auch auf den Baufeldern, die Widmung größerer Bereiche des Marktplatzes und der Lammstraße als Verweilzonen, die attraktive Gestaltung der Kaiserstraße durch Möblierung und Begrünung, das Vorgehen gegen die sichtbar „organisierte Bettelei“ und die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit, die durch bedauerliche Verrohungstendenzen verloren ging. All dies sind Themen, auf die wir unser besonderes Augenmerk richten werden.
Stadtbild bewahren
Zur Steigerung der Stadtqualität gehört neben dem Erhalt von Grün-, Park- und Kleingartenanlagen auch, das historische Stadtbild zu erhalten und zu erreichen, dass die „Symphonie der Bebauung unserer Stadt stimmig und harmonisch ist“, wie es einst Baubürgermeister Obert in einer Diskussionsrunde zum Thema „Moscheebau in Karlsruhe“ ausdrückte.
Das Bild unserer Stadt hat sich in der jüngsten Vergangenheit leider viel zu oft zum Negativen entwickelt. Markante historische Gebäude wurden abgerissen. Die weit über unsere Grenzen bekannte Künstlerkolonie hinter dem Hauptbahnhof wurde geräumt und weitere Gebäude wie das Franz-Rohde-Haus und der Botanische Garten der Universität sind bedroht. Wir Freien Wähler fordern die Verwaltung auf, sich mehr für den Erhalt architektonisch und historisch bedeutender Gebäude einzusetzen. Wir haben in unserer jungen Stadt nicht viele davon und sollten sie umso mehr schätzen und bewahren.
Auch Neubauprojekte, die prägenden oder verändernden Einfluss auf unser Stadtbild haben, wie der zur Zeit diskutierte Bau einer Großmoschee am Mühlburger Bahnhof, müssen öffentlich diskutiert und zusammen mit der Bürgerschaft entwickelt werden. Frühzeitige Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe mit der Verwaltung sind jeglichen „Hinterzimmerentscheidungen“ vorzuziehen. Wir müssen uns zudem fragen, ob wir tatsächlich bei Projekten wie dem Wildparkstadion oder dem Staatstheaterumbau aus dem Vollen schöpfen sollen. Hier wäre unseres Erachtens etwas mehr Bescheidenheit und Fingerspitzengefühl angebracht.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Wir Freien Wähler fordern angesichts der Flächenknappheit für Unternehmen schon lange, darauf zu achten, dass Vergaben von Gewerbegrundstücken daran festgemacht werden, wie viel Gewerbesteuereinnahmen durch den Investor wieder in die städtischen Kassen zurückfließen.
Karlsruhe, den 26. September 2016
Es wirkten mit:
Lars Dragmanli, Petra Stutz, Petra Lorenz
Hans-Christian Arzt, Franz Eschbach, Rainer Maier
u.a.